Viele neue Reifen schneiden in den ADAC Reifentests regelmäßig gut ab, doch die Ergebnisse sind Momentaufnahmen im Neuzustand. Um zu überprüfen, wie sich die Fahreigenschaften bei solchen Reifen nach vielen gefahrenen Kilometern und mit abgefahrenem Profil verändern, hat der ADAC zum ersten Mal sechs gut getestete Winterreifen in verschiedenen Zuständen unter Realbedingungen auf Schnee und bei Nässe genauer untersucht. Folgende Testkandidaten wurden auf Herz und Nieren geprüft: Continental WinterContact TS860, Dunlop Winter Sport 5, Goodyear Ultragrip 9, Michelin Alpin 5, Nokian WR D4 und Yokohama BluEarth.
Die Testingenieure wiederholten die aus dem Reifentest bekannten Testkategorien mit den abgefahrenen Reifen: Traktion auf Schnee, Bremsen auf Schnee, Bremsen auf Nässe, Aquaplaning längs (Gerade), Aquaplaning quer (Kurve), Handling auf Nässe und Kraftstoffverbrauch. Der Test mit den Winterreifen gab neben den Nässeeigenschaften vor allem Auskunft über die Sicherheitseigenschaften auf Schnee. Die grundsätzlichen Empfehlungen, insbesondere auf nasser Fahrbahn, gelten aber ebenso für Sommerreifen, wie die Testingenieure erklärten.
Kritische Profiltiefe
Bis zu welcher Profiltiefe können Winterreifen abgefahren werden bzw. bei welcher Profiltiefe sollte der Reifentausch unter Sicherheitsaspekten empfohlen werden? Um diese Frage zu klären, konditionierten die Testingenieure jeweils drei Sätze der sechs Reifenmodelle in der Größe 205/55 R16 H vor. Ein Satz wurde per Konvoifahrt im Realverkehr mit einem Golf VII auf eine Profiltiefe von 2,5 Millimetern abgefahren (schlechteste Rille).
Der zweite Satz wurde maschinell abgeschliffen. Als Muster für den maschinellen Verschleiß dieses Satzes wurde der real abgefahrene Reifen vermessen und dessen Kontur als Zielkontur für den maschinellen Verschleiß herangezogen. Der dritte Satz wurde ebenfalls maschinell verschlissen. Er wurde entsprechend der ETRTO-Vorgabe (Europäische Reifen- und Felgen- und Sachverständigenorganisation) gleichmäßig auf rund 2,0 Millimeter maschinell abgeschliffen.
Die abgeschliffenen Reifen wurden alle nach dem Abrauen 200 Kilometer angefahren. Zusätzlich wurden unmittelbar vor dem Schneetest alle getesteten Reifen nochmals 50 Kilometer angefahren.
Trügerische Sicherheit
Die Ergebnisse sind teilweise erschreckend und zeigen, dass Profiltiefe und Zustand der Reifen die Sicherheit deutlich beeinträchtigen können. Im Durchschnitt verlieren die verschlissenen Reifen, wenn man den gleichen Maßstab ansetzt wie bei Neureifen, rund 1,5 bis 2,5 Noten gegenüber den Reifen mit voller Profiltiefe und würden nur noch mit "befriedigend" bis hin zu "mangelhaft" abschneiden.
Zwar vermitteln die Reifen beim Fahren im Alltag noch ein grundsätzlich sicheres Gefühl, da die Bremswege auch hier relativ kurz sind, aber dieses Gefühl ist trügerisch. Denn Reifen mit geringer Profiltiefe können Querkräfte bzw. die Kombination aus Quer- und Längskräften deutlich schlechter übertragen. Das heißt, bei Kurvenfahrten können Autofahrer viel früher die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren. Bei plötzlich auftretendem Aquaplaning in der Kurve ist das Fahrzeug dann nicht mehr beherrschbar.
Solange es aber um Kräfte in Längs-, also Fahrrichtung geht, also um die Traktion und das Bremsen auf Schnee und Nässe, zeigen die Tests, dass die Performance der abgefahrenen Reifen nicht so dramatisch abnimmt und eine gewisse Restsicherheit bleibt hier demnach vorhanden. Punkten können die Reifen beim Kraftstoffverbrauch, denn weniger Profil bedeutet für den Reifen weniger Walkarbeit beim Fahren und das spart Sprit.
Aussagekräftige Testergebnisse
Die Studie zeigt auch, dass die Testergebnisse im Neuzustand eine hohe Aussagekraft haben. Es verlieren zwar alle Reifen während der Nutzungsphase an Leistung, aber waren sie im Neuzustand sicher, dann bieten sie im teilabgefahrenen Zustand zumindest noch etwas Restsicherheit. Reifen, die bereits im Neuzustand mäßig abschnitten, können spätestens im teilabgefahrenen Zustand zum Sicherheitsrisiko werden.
Für Autofahrer ergibt sich aus der Studie: Vor allem beim Reifenwechsel auf das Profil achten und bei Auffälligkeiten eine Werkstatt aufsuchen und ggf. die Spur überprüfen lassen. Der Reifenfülldruck sollte regelmäßig kontrolliert werden. Winterreifen sollten laut ADAC ab einer Profiltiefe von unter vier Millimeter und Sommerreifen ab einer Profiltiefe von drei Millimeter erneuert werden.