„Ausbildung ist ein wichtiger Baustein, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Dieser verschärft sich zusehends. Der Schaden, der unserer Volkswirtschaft dadurch droht, ist enorm. Eine berufliche Ausbildung muss auch finanziell attraktiv sein. Beim Lohn für bestimmte Ausbildungen muss gelten: Brutto gleich netto“, so Dr. Ariane Reinhart. Laut Reinhart könnte es ratsam sein, die Ausbildungsvergütung für Beschäftigte in den Engpassberufen zum Beispiel von Steuern und Abgaben zu befreien. Um keine Nachteile bei ihrer Altersversorgung zu haben, sollten die Auszubildenden wie bisher über die Sozialversicherungen abgesichert werden.
„Im Kontakt mit Jugendlichen erleben wir immer wieder das gleiche Phänomen: Viele von ihnen haben eine überholte, oft praxisferne Vorstellung von bestimmten Berufsbildern. Dieser Trend ist verstärkt worden durch die Lockdowns, in denen das Leben gerade junger Menschen überwiegend digital stattfand. In dieser Zeit haben sich viele von ihnen übertriebene Vorbilder aus dem Sport oder den sozialen Medien genommen. Dadurch haben sie sich zunehmend von einem realen Bild der Arbeitswelt entfernt und entfremdet“, sagt Hanno Gieseke, Ausbildungsleiter Deutschland bei Continental. Dem müsse entgegengesteuert werden, zum Beispiel durch mehr praktische Möglichkeiten, um Jugendliche mit der Modernität und der Attraktivität von Berufsbildern bekannt zu machen. „Den Jugendlichen sollte die Sinnhaftigkeit einer betrieblichen Ausbildung vermittelt werden. Wir müssen ihnen bewusst machen, welchen Beitrag eine betriebliche Ausbildung für die persönliche Lebensplanung liefert“, ergänzt Reinhart. Dazu gehöre die hohe Sicherheit, die ein Arbeitsplatz in der Industrie oder im Handel gegenüber einem unerreichbaren Wunschberuf besitze.
Die Continental-Vorständin sieht auch die Unternehmen in der Pflicht: „Die Firmen müssen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Karrierechancen der betrieblichen Ausbildung denen eines Studiums entsprechen – etwa durch flexiblere Ausbildungsmodelle.“ So könnten Unternehmen zum Beispiel betriebliche Ausbildungsbausteine mit zusätzlichen universitären Inhalten kombinieren. Parallel dazu müssten die Weiterbildungsmöglichkeiten sowohl für junge Fachkräfte nach der Ausbildung als auch für langjährig Beschäftigte ausgebaut und entbürokratisiert werden. „Die öffentliche Förderung der beruflichen Weiterbildung ist derzeit viel zu unübersichtlich und zu wenig flexibel“, bemängelt Reinhart. Sie warnt Unternehmen davor, sich mit zu hohen Ansprüchen den Zugang zu qualifizierten Auszubildenden zu verbauen. „Der Ausbildungsmarkt ist leer gefegt. Viele Betriebe können es sich gar nicht leisten, hohe Ansprüche zu stellen und besonders wählerisch bei ihren Auszubildenden zu sein. Wir sehen bei vielen Jugendlichen wertvolle Talente, die nur gezielt abgefragt und dann gefördert werden müssen. Die Motivation kommt dann von allein“, so Reinhart.
Im Hinblick auf den sich zuspitzenden Fachkräftemangel sollten Unternehmen nach Ansicht von Dr. Ariane Reinhart darüber hinaus ihr Ausbildungsangebot für alle Zielgruppen öffnen. „Wir können es uns längst nicht mehr leisten, nur Jugendliche auszubilden. Auch ältere Beschäftigte, Geflüchtete, Menschen ohne formalen Qualifikationsabschluss und Langzeitarbeitslose müssen über eine Ausbildung in den Fachkräftearbeitsmarkt integriert werden“, so Reinhart. (kle)
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