Nach Ansicht von Dr. Ariane Reinhart bringen die Universitäten zwar viele ausgezeichnete KI-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler hervor, aber aufgrund der mangelnden praktischen Expertise stünden diese der Industrie nicht unmittelbar zur Verfügung. „Die Studierenden KI-orientierter Studiengänge werden gemessen an den Anforderungen der Wirtschaft nicht praxisgerecht genug ausgebildet“, so Reinhart. „Wir müssen KI-Fachkräfte, die von der Universität kommen, systematisch an die Praxis heranführen. Dafür sind dann noch einmal drei bis fünf zusätzliche Jahre Ausbildung nötig – was viel Zeit ist angesichts der Dynamik, mit der sich der Einsatz von KI in allen Bereichen entwickelt“, erklärt Reinhart.
Für die Aus- und Weiterbildung ihrer mehr als 1.000 KI-Fachkräfte wendet Continental jährlich eigenen Angaben zufolge einen über zweistelligen Millionenbetrag auf. „Die Wirtschaft muss sich von dem Anspruch verabschieden, dass die Universitäten fertig ausgebildete KI-Fachkräfte hervorbringen. Aufgrund des hohen Innovationstempos und starken Kostendrucks sind jedoch zunehmend weniger Unternehmen in der Lage, dauerhaft große Summen in die Aus- und Weiterbildung ihrer KI-Fachkräfte zu investieren. KI verlangt eine andere Form der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie und eine Kultur des Teilens. Wir sollten uns an in dieser Hinsicht führenden Ländern wie den USA oder China orientieren. Hier liefern die Unternehmen zum Beispiel Daten, sodass die Wissenschaft auf dieser Basis funktionierende KI-Programme und Algorithmen entwickeln und validieren kann“, so Reinhart.
Kristian Kersting, Professor für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen an der Technischen Universität Darmstadt und Co-Direktor des Hessischen Zentrums für KI unterstützt diesen Ansatz, bemängelt jedoch auch die fehlende KI-Kultur in der Wirtschaft: „Die Unternehmen setzen ‚irgendwie‘ auf KI, ohne die Funktionsweise im Kern zu verstehen. Alle Beteiligten müssen sich also aufeinander zubewegen und gemeinsam die Entwicklung vorantreiben.“ Dazu zählt für ihn nicht nur eine bessere Zusammenarbeit von Universitäten und Wirtschaft, um wissenschaftliche Projekte und Modelle in der Praxis zu testen. „Genauso wichtig ist ein besserer Zugang für Universitäten und Forschungsinstitute zu realen Daten und eine stärkere Vernetzung der wissenschaftlichen Institute und Institutionen im Bereich KI untereinander“, so Kersting.
Die Entwicklung KI-basierter Zukunftstechnologien im Bereich des assistierten, automatisierten und autonomen Fahrens beschleunigt Continental unter anderem mit dem Einsatz ihres Supercomputers. Laut Conti-Angaben sind rund 20.000 der insgesamt mehr als 51.000 Continental-Ingenieure heute bereits Software- und IT-Experten. Bis 2023 will das Unternehmen zudem die Anzahl von KI-Experten von derzeit mehr als 1.000 auf 1.600 erhöhen. (kle)