Der Dunlop-Winter-Workshop ist eine feste Institution im Reifen-Herbstprogramm. Kaum eine Veranstaltung informiert derart umfassend über den Themenkomplex „Winterreifen“. Auch in diesem Jahr hatte der Reifenhersteller Dunlop erneut ein spannendes Programmpaket abseits bloßer Produktschulung geschnürt.
"Gesucht wird – der Winterreifen für Anspruchsvolle“, unter diesem Moto trafen sich im ADAC-Fahrsicherheitszentrum Gründau-Lieblos nahe Hanau Winterreifenenthusiasten und Fachpresse zum Dunlop-Winter-Workshop. Tatsächlich wurde den Besuchern keine Werbeveranstaltung, sondern eine informative Vortragsreihe inklusive kleinem Praxistest geboten. ARD-Wetterexperte Thomas Ranft lieferte den einleitenden Überblick über das Winterwetter in Deutschland und führte danach durch das Programm. Was überhaupt bedeutet Winter? Und wie verändern winterliche Verhältnisse die Straßenbeschaffenheit? Anhand der Frost- und Schneetage der vergangenen zwei Winter verdeutlichte Ranft den Zuhörern das eigentliche Ausmaß des Winters in verschiedenen Regionen.
Nachvollziehbarerweise erlebt man in Bayern andere Winter als im norddeutschen Raum. Weniger Schnee allerdings bedeutet keinesfalls auch weniger gefährliche Straßenverhältnisse. Ganz im Gegenteil. Ranft wies auf die Signalwirkung von Schnee hin. Dieser sei unmittelbar erkennbar und veranlasse deshalb den Autofahrer dazu, den Straßenbedingungen entsprechend angemessen zu fahren. Problematischer sei die Lage bei Frost. Dieser könne stellenweise auftreten und sei mit bloßem Auge oftmals nicht einsehbar. Gerade deshalb seien Frostwarnungen durch den deutschen Wetterdienst von so großer Bedeutung. Ranft verdeutlichte in seinem Vortrag auch, inwieweit Feuchtigkeit eine Herausforderung für den Winterreifen ist. Angesichts der unterschiedlichen Zustände überfrierende Nässe, Glatteis, Schneeregen, Schneeschauer, Raureif und Reif müssten die Pneus im Winter mit einem breiten Spekt-rum an Bedingungen fertig werden. Die Herausforderung bestehe darin, die richtige Mischung aus Nässehaftung, Glättehaftung und dem nötigen Grip bei Matsch zu finden. Rund die Hälfte des Jahres müssten Reifen auf diese Wechselbedingungen eine Antwort finden. Winterreifen sind hierzu am besten in der Lage, von einem Nischendasein dieser Pneus kann also keine Rede sein.
Einen überaus interessanten Vortrag bot im direkten Anschluss Daniel Bott, Leiter der Reifentests des ADAC-Technikzentrums. Bott gewährte Einblicke in die Welt der Reifentests. Die Tests des ADAC haben erheblichen Einfluss auf Kaufentscheidungen. Mit wie viel Mühe und Planungsdetails der ADAC allerdings seine Tests durchführt, ahnt man kaum. In Vorbereitung auf die eigentliche Testphase beispielsweise kauft der ADAC anonym rund 2.500 Reifen und 600 Felgen beim Fachhandel. Bei einer direkten Belieferung durch die Hersteller bestünde die Gefahr, vom Handel abweichende Reifen-Versionen unter die Lupe nehmen zu müssen. Die Kosten für die Materialbeschaffung und den Test teilen sich die Partner des European Test Consortium. Das eigentliche Reifentestverfahren wurde über Jahrzehnte weiterentwickelt. Von jedem Typ werden 32 Reifen erworben. Diese werden anonymisiert und 500 Kilometer angefahren. Die zum Test zugelassenen Pneus müssen ausgewogen sein, Spezialisten fallen also durch. Zu den Winter-Testkriterien gehören die Fahrleistung auf trockener, nasser und schneebedeckter Fahrbahn, der Schnelllauf, Kraftstoffverbrauch und Verschleiß. Jeder Reifen im Test wird mindestens zweimal pro Fahrer gefahren und auf trockener Fahrbahn auf sein Fahrstabilitäts-, Handling- und ABS-Bremsvermögen hin bewertet.
Auf nasser Fahrbahn interessieren sich die ADAC-Mannen für ABS-Bremsqualitäten, die Aquaplaningeigenschaften, das Handling, die Kreis-Seitenführung sowie das Verhalten auf Schnee und Eis. Um möglichst ähnliche Bedingungen zu simulieren, sind sehr enge Testzyklen vorgesehen. Die Schneetests beispielsweise erfolgen in der Nacht, da hier die Verhältnisse am konstantesten bleiben. Für die Eistests wird speziell eine Eishalle angemietet. ADAC-Reifentests sind also eine sehr kosten- und zeitintensive Angelegenheit. Mit Vorbereitungszeit dauert ein Test etwa ein Jahr, ein halbes Jahr vor der Veröffentlichung sind die Tests bereits abgeschlossen. In eigener Sache wies Daniel Bott abschließend noch darauf hin, dass sowohl das Tyre-Labeling als auch das Schneeflocken-Symbol für ihn keine Alternative zum ADAC-Test darstellen. Speziell die M+S-Kennung sei nicht aussagekräftig. Der Fachhandel habe diesbezüglich gegenüber dem Kunden eine Aufklärungspflicht.
Ingo Hammes trat als dritter Referent vor die Workshop-Teilnehmer. Als Leiter Fahrversuch bei Dunlop schilderte er die Basics der Reifenentwicklung in der Praxis. Die von Ranft und Bott bereits erläuterten vielfältigen Anforderungen an einen Winterreifen müssen von den Herstellern in der Entwicklungsarbeit umgesetzt werden. Aus der Dunlop-Perspektive skizzierte Hammes, wie die Anforderungen der Endverbraucher, des Gesetzgebers und der Fahrzeughersteller in die Entwicklungsziele einfließen. Anknüpfend an den Vortag von Hammes referierte im Anschluss Ralf Flachbarth. Der Leiter der Entwicklungsabteilung Tuning-Reifen von Dunlop konkretisierte das gewandelte Anforderungsprofil an Winterreifen. Heutzutage seien moderne Winterreifen nicht mehr ausschließlich in Richtung Schnee orientiert, sondern müssten weitaus mehr Parameter erfüllen. In der Entwicklung seien neben sicherheitstechnischen besonders auch wirtschaftliche, ökologische und optische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Anhand der Dunlop-Winterreifenhistorie vom klassischen Radial-Spikereifen bis zum heutigen Dunlop SP Winter Sport 3D mit seiner Vollsilicamischung und dem laufrichtungsgebundenen drei-Zonenprofil verdeutlichte Flachbarth, welche Entwicklungsstufen in den letzten Jahrzehnten durchlaufen wurden. Mittlerweile ist die Schnittmenge zwischen Sommer- und Winterreifen eine weitaus größere.
Für den letzten Programmpunkt vor der finalen Fahrdemonstration lud Thomas Ranft schließlich den Pressesprecher von Abt Sportsline, Florian Büngener, zur Diskussionsrunde mit Ralf Flachbarth über die Anforderungen der Tuning- und Automobilindustrie an die Reifenhersteller und die Bedeutung von Breitreifen im Winter. Büngener war in einem von Abt veredelten Scirocco extra aus dem wintererprobten Kempten angereist und wusste zu berichten, dass Breitreifen für den Winter und schicke Alu-Felgen kein reines Sommer-Phänomen mehr sind. In der Tat gibt es fast jede Sommerreifen-Dimension auch für Winterreifen. Auch die Sicherheit profitiere davon. Die große Aufstandsfläche bietet eine gute Traktion und Seitenführung. Die gute Verbindung zur Straßenoberfläche sorgt auch beim Nassbremsen für Vorteile im Vergleich zu schmaleren Reifen. Insgesamt also lieferte der Winter-Workshop von Dunlop interessante Einblicke in die Welt der Winterpneus und deren Entwicklung.
(kle)