Das Jahr 2021 war laut den wdk-Verantwortlichen geprägt durch schnell wechselnden Phasen wirtschaftlicher Aufholprozesse sowie konjunktureller Rückschläge. 2022 beginnt katastrophal – die Eskalation in der Ukraine wird die Energiepreiskrise drastisch verschärfen. Schon im abgelaufenen Geschäftsjahr mussten die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie mit massiven Preissteigerungen bei der Materialbeschaffung umgehen und größte Anstrengungen unternehmen, um die Lieferkette aufrecht zu erhalten. „Die Lieferkette stockte zum einen durch Logistikstaus sowohl im Schiffs- als auch im Straßengüterverkehr. Zum anderen kam es zu einer nie zuvor dagewesenen Anzahl und Frequenz von Force Majeure-Meldungen bei Vorprodukten der Kautschukverarbeitung. Corona war dabei nur eine der Ursachen. Dazu kamen Naturkatastrophen, Betriebsunfälle und Maschinenschäden“, erläutert Michael Berthel, Chef-Volkswirt des Verbands.
Die Rohstoffpreise lagen nach wdk-Angaben im 4. Quartal 2021 um bis zu 80 Prozent über denen des Vorjahresquartals und im Vergleich des Jahresmittels 2021 zu 2020 um bis zu 65 Prozent höher. Zum Jahresbeginn 2022 registriert der Wirtschaftsverband einen weiteren kräftigen Sprung nach oben. Die Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts lasse die Risikoprämien aktuell dramatisch steigen. Hinzu kommen noch gravierende Lieferschwierigkeiten in der Automobilindustrie bei Halbleitern. „Der Halbleitermangel hat das weltweite Produktionsvolumen von Fahrzeugen um mehr als 10 Prozent im Jahr 2021 reduziert – und das gegenüber dem historischen Tiefstand des Jahres 2020. Gerade in den letzten vier Monaten des Jahres 2021 standen immer wieder außerplanmäßig Produktionslinien oder ganze Werke von Fahrzeugherstellern still. Das hat die Nachfrage nach Komponenten aus der Kautschukindustrie enorm reduziert – für Technische Elastomer-Erzeugnisse (General Rubber Goods) und Reifen“, heißt es in einer wdk-Mitteilung.
Im Reifenersatzgeschäft gab es laut Michael Berthel in 2021 zwar eine Erhöhung der Um- und Absätze gegenüber 2020, das Volumen der Vorjahre bis 2019 wurde aber weiterhin deutlich verfehlt. Die Automobilzulieferer der Branche hätten nach einem verheißungsvollen Jahresauftakt mit zweistelligen Umsatzzuwächsen im Gesamtjahr 2021 nur ein marginales Plus gegenüber dem schwachen Jahr 2020 erwirtschaften können. „Spätestens ab August/September drehten die Umsatzzahlen ins Minus – das Inlandsgeschäft sank auch insgesamt unter das Vorjahresniveau. Durch die Unwuchten in der Prozesskette – mit in der Folge extremen Kostensteigerungen, die kaum an die Kunden weitergegeben werden können, sowie Umsatzeinbrüchen – steigt das Insolvenzrisiko der Automobilzulieferer der Branche“, so die Einordnung aus der wdk-Zentrale.
Folgende Zahlen teilt der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie mit – und blickt sogleich wenig optimistisch voraus: „Alles in allem lag der Branchenumsatz im Jahr 2021 bei knapp 10 Milliarden Euro. Das Umsatzvolumen vor der Pandemie – der Branchenumsatz 2019 betrug rund eine Milliarde Euro mehr – wurde bei weitem verfehlt. Zum Jahreswechsel 2021/2022 ist die wirtschaftliche Situation immer noch paradox. Hohe politische und konjunkturelle Unsicherheiten belasten eine nachhaltige Erholung. Auch der anhaltende Einfluss der Corona-Pandemie im weiteren Jahresverlauf ist nicht abschätzbar. Die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie bewegen sich weiterhin in einem immer noch stark gestörten Geschäftsumfeld.“
Die Ergebnisse der wdk-Jahresumfrage 2022 unterstreichen laut den Branchenexperten aus Frankfurt am Main die Einschätzung einer in Teilen fragilen, in Teilen robusten Branchenkonjunktur. Im Vergleich zum Ende des vergangenen Jahres habe sich die Unruhe und hohe Volatilität auf der Beschaffungsseite keineswegs entspannt und auch die Nachfragesituation sei unverändert. Unternehmen und Verband prognostizieren für 2022 einen Branchen-Umsatzzuwachs von 7 Prozent. Diese Einschätzung allerdings erfolgte vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine.