Retail-Experte mit klaren und schnellen Worten: Dr Marc Schumacher. 
Foto: Kay Lehmkuhl
Retail-Experte mit klaren und schnellen Worten: Dr. Marc Schumacher. 

Handel

Konsumentenverhalten auf „fundamental neuem Niveau“

Dr. Marc Schumacher spricht im Rahmen der Mitgliederversammlung über „The future of retail“. Das Signal des intensiven Vortrags ist deutlich: Begreift und bewegt Euch, jetzt!

Panische Reaktionen auf die Ausführungen von Dr. Marc Schumacher zur Zukunft des Einzelhandels waren am Rande der diesjährigen BRV-Mitgliederversammlung seitens der Teilnehmer keine zu vernehmen. Panik ist ja generell kein allzu verbreiteter Gemütszustand im deutschen Reifenfachhandel. Die fortschreitende Digitalisierung stellt die Akteure zwar vor Herausforderungen, die cleveren und geistig bewegungsfähigen Vertreter der Branche aber haben ihre Betriebe und Geschäftsmodelle entsprechend weiterentwickelt und auch begriffen, das Wandlungsfähigkeit ein Kernkriterium künftiger Wettbewerbsfähigkeit ist. In Panik verfallen hieße ja auch, seine Handlungsfähigkeit zu verlieren. Das möchte man niemanden wünschen und ist für Branchenkenner auch keine unbedingt vermutbare Reaktion von Reifenhändlern auf den weiteren Wandel im Handel. Reifen bleiben ein weiterhin nicht ersetzbares Produkt und sie müssen fachmännisch montiert werden. Entschlussfähigkeit und eine unbedingte Adaptionsfähigkeit sind angesichts der Welle an Veränderungen und der sich verändernden Kundenerwartungen aber sehr wohl von zentraler Bedeutung. Der Vortrag „The future of retail“ verdeutlichte dies in besonderem Maße – die Intensität und die von Dr. Marc Schumacher vorgetragene Erkenntnisfrequenz dürfte bei den Zuhörern nachwirken.

Im Einzelhandel vollzieht sich ein Paradigmenwechsel. Diese Aussage Schumachers ist erstmal keine überraschende Beobachtungen. Jeder Handelsakteur spürt den Umbruch und die Beschleunigung im Tagesgeschäft. Laut Schumacher vollzieht sich der Wandel aber auf viel mehr Ebenen als im „überstrapazierten“ Begriff der Digitalisierung. Der Zeitgeist verändert sich, das Konsumentenverhalten wird auf ein fundamental neues Niveau gehoben. Die Veränderungen gehen nach Ansicht von Schumacher weit über das hinaus, was über neue Technologie oder die Digitalisierung wirksam wird. Schumacher erwartet eine „Anspruchsinflation“ beim Konsumenten. Produkte und Dienstleistungen müssen künftig viel besser angeboten und erlebbar gemacht werden. Was im Moment geschehe, unterschätze der Handel noch. Zudem verändere sich das Wettbewerbsumfeld derart schnell, dass kein Akteur sich seiner Marktposition sicher sein könne. Vieles, was Schumacher im Handel beobachtet, entspricht seiner Ansicht nicht mehr dem Zeitgeist.

Die Atmosphäre und Anmutung von Verkaufsräumen muss entsprechend der neuen Anspruchshaltung beim Kunden angepasst werden. Was in anderen Branchen noch sichtbarer wird: branchenfremde Player ändern die Standards. Klassische Retailer werden diesem Anspruch laut Schumacher kaum noch gerecht. Diese Beobachtung lässt sich durchaus auch im Reifenfachhandel machen. Eine zentrale Komponente in Dr. Marc Schumachers Handelsvision ist die des Tipping-Point. Ein Tipping-Point, zu deutsch Kipppunkt, beschreibt einen kritischen Punkt in einem Prozess oder System, über den hinaus eine signifikante unaufhaltsame Wirkung oder Veränderung stattfindet. Ab einem Durchdringungsgrad von rund 10 Prozent verändert eine Technologie oder ein Geschäftsmodell das Nutzerverhalten total.

Die fundamentalen Technologien der nächsten zehn Jahre werden laut Schumacher KI, Blockchain, 5G, Sensorik, AR/VR, Cloud Computing, Gene Editing, Autonomes Fahren, Human Interface und 3D-Printing sein. Ganz so weit aufreißen muss man das Betrachtungsfeld für den Reifenfachhandel nicht unbedingt. Reifen sind nicht digitalisierbar, ebensowenig die Montage. Das bloße Bewusstsein darüber, das und in welch unglaublicher Frequenz sich der Handel wandelt, schärft die Sinne für Veränderungspotenzial im Handel und Servicegeschäft mit Reifen. „In einer Dekade erleben wir die Disruption teilsweise zweimal“, so Schumacher über die Taktzahl des Wandels. Besonders das neue Konsumentenverhalten werde von Entscheidern unterschätzt – und das, was gerade passiere, sei erst der Anfang.

Die Verantwortlichen in mittelständischen Betrieben müssen nach Ansicht von Dr. Marc Schumacher die Dimension der Veränderungsprozesse begreifen. Investitionen sollten jetzt darauf angepasst und getätigt werden. „Wir sind als Mensch nicht darauf angelegt, diese Fülle an Erfahrungsveränderungen zu verarbeiten“, erklärt Schumacher. Zerbröselnde Infrastrukturen im Handel, eine neue Erwartungshaltung beim Einkauf, ein abgeräumtes Markenparadigma und die entscheidende Bedeutung von Käuferbewertungen im Internet – die Herausforderungen sind immens. Die Customer Journey sei ganzheitlich zu begreifen. Das komplett abweichende Konsumverhalten der jüngeren Generation und die sich verändernde Erwartungshaltung der mittleren und älteren Käuferschichten definieren die Geschäftsmodelle der Zukunft. Sicher ist: die Käuferschaft landet mit diesen Erwartungen auch im Reifenfachhandel. Und sie erwartet eine „Umarmung, ein Erlebnis und Zugehörigkeit“.

Dr. Marc Schumacher erläutert das Prinzip des Tipping Point.
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Dr. Marc Schumacher erläutert das Prinzip des Tipping-Point.
Auf dem Gelände der Koelnmesse fand die BRV-Mitgliederversammlung statt. 

BRV-Mitgliederversammlung

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Kooperationen

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Kooperationen

Quick steigert E-Commerce-Umsätze um 23 Prozent

Auf der digitalen Tagung des Reifendiscounters Quick zeigten die Vertreter der Systemzentrale gemeinsam mit den Experten der Goodyear Retail Systems den über 40 Teilnehmenden, warum auch 2022 ein gutes Jahr mit stabiler Entwicklung werden kann.

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IT/Online

Digitale Akteure profitieren

Der Wandel hin zum digitalen B2B-Vertrieb hat sich aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie beschleunigt, bestätigt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Bain & Company. Auch die Online-Player der Reifenbranche profitieren.

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