Barcode-Handel.jpeg
Foto: GUB
Reifen mit entferntem Barcode – aktuell diskutiertes Thema in der Branche. 

Handel

Entfernte Barcodes – Qualitätsanspruch definiert Handlungsempfehlung

Der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. veröffentlicht eine Mitgliederinformation zum Thema „Reifen mit entferntem Barcode: Was ist zu beachten“. Chef-Redakteur Olaf Tewes rückt in seiner Einordnung den Qualitätsanspruch von Industrie und Reifenfachhandel ins Zentrum.

Der BRV bemüht sich um eine differenzierte Betrachtung der Problematik um entfernte Barcodes im Handel. „Hersteller versehen Reifen mit Barcodes. Das beruht nicht auf gesetzlichen Kennzeichnungspflichten. Die Barcodes dienen den Herstellern dazu, Informationen über die Herstellung des Reifens zuzuordnen und den Vertriebsweg nachverfolgen zu können. Da diese Nachverfolgung im Handel nicht immer gewünscht wird, finden sich vielfach Reifen, an denen der vom Hersteller angebrachte Barcode entfernt wurde“, heißt es in der Mitteilung. Mehrere Bereiche seien in diesem Themenfeld zu beachten.

Der BRV listet auf:

1. Zulassung: Der Barcode stellt keine gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung dar. Daher spielt es für die Zulässigkeit des Einsatzes eines Reifens keine Rolle, ob ein Barcode vorhanden ist oder nicht. Aussagen wie diejenige, dass ein Reifen durch die Entfernung des Barcodes seine Verkehrsfähigkeit verliere, sind demnach falsch.

Solange das Produkt alle in der Typengenehmigung geforderten Betriebsmittelkennzeichnungen nach UN ECE R 30 und UN ECE R 117 aufweist, handelt es sich um ein Produkt, das eingesetzt werden darf. Das gilt selbst dann, wenn es sich um eine Produktausführung handeln sollte, die nicht für die Vermarktung oder Einsatz in Deutschland bestimmt ist. Dann können aber markenrechtliche Probleme zu beachten sein (siehe unten).

2. Sicherheit: Durch das Entfernen des Barcodes darf keine technische Beeinträchtigung des Produkts entstehen. Aus Sicherheitsgründen unbedenklich ist daher das Ablösen und Abwischen des Barcodes mit einem Lösungsmittel, das den Reifen selbst nicht angreift. Wird der Barcode hingegen mechanisch entfernt, etwa durch Ausschleifen, Abrauen oder -schälen des Barcodes, kommt es zur Beeinträchtigung der Substanz des Reifenmaterials. Ein Reifen, bei dem der Barcode mechanisch entfernt wurde, kann daher nicht mehr als sicheres Produkt angesehen werden.

Die Aussage, dass ein entfernter oder unleserlicher Barcode zu Undichtigkeiten durch einen beeinträchtigen Sitz auf der Felge führen kann, können wir technisch indessen nicht nachvollziehen. Die für die Abdichtung des Reifen auf der Felge verantwortliche Wulst-Bereich ist die Wulstferse. Solange diese an der Felge anliegt und intakt ist, kann keine Undichtigkeit entstehen. Aus unserer Erfahrung sind in der Vergangenheit Undichtigkeiten immer dann aufgetreten, wenn ein Barcode in den Bereich der Wulstferse ragte oder beim Aufbringen umgeschlagen wurde oder Faltenbildung auslöste und damit einen Luftverlust auslöste.

3. Produkthaftung: Die gesetzliche Produkthaftung des Herstellers wird durch die Entfernung des Barcodes nicht berührt. Die gesetzliche Produkthaftung tritt ein, wenn aufgrund eines Produktfehlers Personenschäden entstehen oder Sachschäden an anderen Sachen, es geht nicht um den Schaden an dem Produkt selbst. Dann ist beim Schadensersatz eine Mitwirkung des Geschädigten zu berücksichtigen.

4. Gewährleistung/Garantie: Die Beseitigung eines Barcodes berührt nicht die gesetzlichen Mängelhaftungsansprüche (Gewährleistung), solange es bei der Entfernung nicht zu einem Substanzeingriff in das Produkt kommt. In den AGB von Herstellern werden die Mängelansprüche regelmäßig ausgeschlossen, wenn es zu unsachgemäßen Eingriffen und Bearbeitungen an den Produkten kommt. Die mechanische Beseitigung eines Barcodes dürfte einen unsachgemäßen Eingriff darstellen.

Anders sieht es aus mit der Herstellergarantie. Sie kann durch die Entfernung des Barcodes - gleich auf welchem Wege - entfallen. Während die Gewährleistung gesetzlich vorgeschrieben ist, handelt es sich bei der Herstellergarantie um eine freiwillige Form der Mängelhaftung. Nach den gesetzlichen Regelungen muss sich jeder Käufer bei Mängeln an "seinen" Verkäufer halten. Die Garantie ermöglicht es, Ansprüche direkt beim Hersteller zu stellen, auch wenn man nicht direkt von ihm gekauft hat. Da es sich um eine freiwillige Leistung der Hersteller handelt, können die Hersteller bestimmen, unter welchen Bedingungen dieser direkte Anspruch besteht. Dazu kann gehören, dass der Barcode noch vorhanden ist.

Achtung: Wird ein Reifen mit einer Herstellergarantie verkauft bzw. wurde mit einer Herstellergarantie geworben, kann allein das Fehlen dieser Garantie wegen entfernten Barcodes einen Gewährleistungsanspruch des Kunden auslösen.

5. Markenrechte: Reifen sind regelmäßig durch das Markenrecht des Herstellers geschützt. Der Hersteller kann sich auf das Markenrecht aber nicht berufen, wenn er das Produkt selbst im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Verkehr gebracht hat (sogenannte Erschöpfung des Markenrechts). Das bedeutet zum einen, dass Hersteller den Vertrieb von Reifen mit Hilfe des Markenrechts unterbinden können, die nicht im EWR in den Verkehr gebracht wurden (z.B. Reifen aus Osteuropa oder der Türkei). Solche Reifen können demnach zwar zugelassen sein, weil sie alle vorgeschriebenen Betriebsmittelkennzeichnungen aufweisen. Der Vertrieb kann jedoch markenrechtlich unzulässig sein.

Zum anderen entfällt die Erschöpfungswirkung, wenn das Produkt nachträglich wesentlich verändert wurde. Eine wesentliche Veränderung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in der Beseitigung einer Kontrollnummer liegen, wenn es dabei zum Eingriff in die Produktsubstanz kommt (oder wenn es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene Kontrollnummer handelt, das ist bei den Reifen-Barcodes nicht der Fall). Für die Beseitigung von Barcodes auf Reifen bedeutet das: Die mechanische Beseitigung führt dazu, dass die markenrechtliche Erschöpfung entfällt. Die Beseitigung durch "Abwischen" ist hingegen markenrechtlich unbedenklich, weil sie keinen Substanzeingriff auslöst.

Kommentar von Olaf Tewes

„Nicht alles was möglich ist, sollte realisiert werden.“

Der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) hat zum Thema „Entfernung des Barcodes“ eine anspruchsvolle Mitgliederinformationen verfasst. Das Thema ist für alle Beteiligten aus Industrie und Handel vielschichtig und juristisch kompliziert. Der Branchenverband informiert in fünf Punkten zu den unterschiedlichen Bereichen Zulassung, Sicherheit, Produkthaftung, Gewährleistung/Garantie und Markenrecht. Er verweist auf die verschiedenen Möglichkeiten, die augenscheinlich im Markt zu finden sind, um den Barcode am Reifen zu entfernen bzw. unleserlich zu machen.

Ich möchte jetzt nicht auf die einzelnen Punkte näher eingehen. Zusammengefasst lässt sich konstatieren, dass sich der Reifenfachhandel und vor allem die Unternehmer mit dieser vielschichtigen Materie unbedingt auseinandersetzen müssen. Die Quintessenz für mich lautet: Sobald es einen Substanzverlust am Reifen gibt und dadurch die Mindesteigenschaften des Reifens eingeschränkt werden, kann der Hersteller seine Herstellergarantie verweigern.

Leider sind mit diesem Themen auch politische Dimensionen verknüpft. Es stellt sich unter anderem die Frage:  „Wohin mit Überkapazitäten beispielsweise aus dem europäischen Großhandel oder dem OE-Bereich?“ Dazu fallen Begriffe wie Parallelimporte oder auch Grauimporte. Der Barcode liefert die Möglichkeit, die Vertriebswege offen zu legen. Ein unleserlicher Barcode erschwert die Recherche. Der Barcode ist jedoch nur die Vorstufe zum sogenannten RFID-Chip, der die Transparenz noch einmal vergrößern wird.

Ich möchte in erster Linie den Qualitätsanspruch von Industrie und Reifenfachhandel ins Zentrum stellen. Der Reifenfachhandel sollte sich auf keine Experimente einlassen. Der Reifen als sicherheitsrelevantes Produkt lässt wenig Interpretationsspielraum. Das Risiko, für etwas mehr Marge einem Kunden einen eventuell minderwertigen Reifen zu verkaufen und zu montieren, sollte nicht eingegangen werden. Im Schadensfall halten sich Unwissenheit, Empörung und Ungläubigkeit die Waage. Dann jedoch entscheidet ein Richter, der wahrscheinlich noch ganz andere Fragen an die Beteiligten und an einen hinzugezogenen Sachverständigen stellen dürfte.

Am Ende des Tages muss der Reifenfachhändler grundsätzliche eine fachmännisch einwandfreie Reparaturleistung erbringen. Das schließt auch die Verwendung von mangelfreien Ersatzteilen mit ein, zu denen ich aus meiner nicht juristischen Sichtweise auch Reifen zähle. Der Reifenfachhandel ist bekannt für Qualität in Beratung und in der Montage. Die Kunden vertrauen ihrem Reifenfachhändler vor Ort. Dieses Vertrauen sollte nicht enttäuscht werden. In diesem Sinne wünsche ich allen gute Geschäfte.

AdobeStock_174414971.jpeg

Recht

Gewährleistungsfrist und Herstellergarantie dürfen nicht addiert werden

Im Nachgang eines Urteils des Landgerichts München hat der Verband der Automobil Tuner (VDAT) seine Mitglieder erneut auf die notwendige Unterscheidung zwischen „gesetzlicher Gewährleistung“ und „freiwilligen und zusätzlichen Herstellergarantien“ hingewiesen.

    • Handel, Tuning, Werkstattservice
BRV_michael_schwämmlein.jpeg

BRV

Hinweis zu Laufflächen-Reparaturen von „Seal- und Silent“-Reifen

Der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V erinnert an die zunehmende Verbreitung von Reifen im Ersatzmarkt mit sogenannter Seal-/Sealant- und Silent-Ausrüstung. Der Handel muss laut dem Branchenverband sorgfältig abwägen, ob eine Reparatur sinnvoll ist.

    • Handel, Werkstattservice, Reifenmarkt, Reifen
Kumho Tyre - RFID-Chips Information - Bild 1.jpeg

Kumho

Manuell entfernte RFID-Chips: Hersteller übernimmt keine Haftung

Reifen, bei denen der RFID-Chip manuell entfernt wurde, sind nachhaltig geschädigt und stellen eine Gefahr für den Verkehr dar. Darauf weist Hersteller Kumho hin und warnt vor entsprechenden Risiken.

    • Kumho, Reifenhandel, Reifen
Nokian Tyres gibt seine neuen Nachhaltigkeitsziele bekannt und veröffentlicht seinen Nachhaltigkeitsbericht für 2022.

Reifenindustrie

Nokian präzisiert Nachhaltigkeitsziele

Nokian Tyres verpflichtet sich selbst dazu, die eigenen Treibhausgasemissionen weiter zu reduzieren. Bis zum Jahr 2050 möchte das Unternehmen den sogenannten Net-Zero-Standard erreichen – die Treibhausgasemissionen sollen dann bei Netto-Null liegen. Außerdem veröffentlicht der Reifenhersteller seinen Nachhaltigkeitsbericht für 2022.

    • Nokian, Reifenindustrie