Bekenntnisse zu mehr Nachhaltigkeit in der Produktion und einer größeren personellen Vielfalt auf Management-Ebene konnte man in den letzten Jahren einige seitens der Reifenindustrie hören. Tatsächlich liefern einige Hersteller mittlerweile auch überzeugende Belege dieses formulierten Anspruchs. Michelin darf als einer dieser Akteure genannt werden. Der Reifenhersteller positioniert sich mit zahlreichen Lösungen als Impulsgeber für eine nachhaltigere Mobilität. Die Konzernführung hat zudem Vielfalt als eine wesentliche Säule der Unternehmensstrategie definiert. Bis 2030 möchte die Michelin-Gruppe einen Frauenanteil von 35 Prozent in seinen Führungsteams erreichen. Von den elf Board-Mitgliedern der Region Europa Nord sind bereits vier Frauen, darunter mit Maria Röttger nun auch weltweit die erste Vorsitzende einer Michelin-Region. The Tire Cologne bot die Gelegenheit, die Managerin kennenzulernen.
Seit Anfang 2020 steht Maria Röttger in Diensten von Michelin. Ihre vorherige berufliche Station war Danone. Bereits beim französischen Lebensmittelkonzern wirkte sie in verantwortlicher Position. Auf Management-Ebene sind Wechsel in eine komplett andere Branche nicht ungewöhnlich. Spezifische Branchenkenntnisse erwirbt sich das Führungspersonal im Schnelldurchlauf. Dass dies herausfordernd ist und besondere Adaptions-und Lernfähigkeiten verlangt, liegt auf der Hand. Die Reifenbranche hat zudem zweifellos ihre Besonderheiten. Maria Röttger geht ihre Aufgabe als Präsidentin und CEO der Region Europa Nord auch deshalb mit besonderer Offenheit an. Das muss nicht zwingend als exklusives Merkmal einer weiblichen Führungskraft bezeichnet werden. Es sind aber Nuancen in der Tonalität, die durchaus eine andere Form der Kommunikation erkennen lassen. Eine, die in der über viele Jahrzehnte männlich dominierten automotiven Wirtschaftswelt meist nur in Randgesprächen wahrnehmbar war. Handlungsentschlossenheit und Kompetenz drückt sich natürlich nicht nur über die Art der Gesprächsführung aus, diese ist aber durchaus ein Indikator für das, was eine Führungspersönlichkeit für ein erfolgreiches Wirken unbedingt braucht: die Fähigkeit zuzuhören, Potenziale in Menschen zu erkennen und diese im Austausch auf eine für das Unternehmen förderliche Wirkungsebene zu führen.
Kernthema des Messeauftritts von Michelin war aber natürlich nicht der Frauenanteil auf oberster Managementebene. Die französische Marke inszenierte sich erneut als Vorreiter einer nachhaltigeren Mobilität. Dass dies keine bloße Show ist, zeigte die Vielfalt der auf The Tire Cologne ausgestellten Lösungen. Reifen für Elektrofahrzeuge aus dem Consumer- und Commercial-Segment, effizienzfördernde Flottenmanagementlösungen und neue Ansätze im Recycling – maximal zukunftsorientiert und in allen Geschäftsbereichen ressourcenschonend agieren, so lautet der strategische Auftrag. Ab 2024 will Michelin beispielsweise recyceltes Plastik in Reifen verarbeiten. In einen Reifen sollen mit Hilfe eines auf der Messe vorgestellten Recyclingverfahrens bis zu 143 Joghurtbecher und rund 12,5 PET-Flaschen verarbeitet werden. Nach Aussage der Verantwortlichen können künftig fast vier Milliarden PET-Flaschen jedes Jahr als Füllstoff für Reifen recycelt werden. Die Zukunftsvision des Recycling-Reifens Michelin Vision Concept, der zu 100 Prozent aus wiederverwertbarem Material besteht, zeigte der Hersteller bereits auf der IAA.
„Als Management-Team haben wir unter der Leitung von Anish K. Taneja bereits seit Jahren zusammengearbeitet und den aktuellen Kurs bestimmt. Es geht weiterhin darum, unsere Marktposition durch eine technologische Marktführerschaft zu behaupten und die Transformation der Branche maßgeblich mitzugestalten. Das Thema Nachhaltigkeit spielt dabei für uns eine zentrale Rolle. Insofern bleiben die Schwerpunkte und die Ziele, die innerhalb der Gruppe formuliert wurden, auch in der Region Europa Nord die Ziele, die es unter meiner Leitung zu erreichen gilt “, erläutert Maria Röttger. Hinsichtlich der Reduzierung der CO2-Emissionen und der umweltgerechteren Produktion habe die von ihr verantwortete Region einen signifikanten Beitrag zu leisten. Laut Röttger bleibt, trotz der weiteren und notwendigen Diversifizierung des Konzern-Leistungsportfolios, das Geschäft mit Reifen schon allein aufgrund der Michelin-Geschichte eine zentrale Säule. Der Strategie „Expanding with, around and beyond tires“ folgend, sollen neue Geschäftsfelder parallel und voneinander profitierend entwickelt werden. „So entsteht für uns als Konzern ein guter Kreislauf“, so Röttger. Entscheidend für den Michelin-Erfolg wird laut der Managerin auch die Zusammenarbeit mit dem Handel sein. Zwar sei der Reifenfachhandel hierzulande weitaus defragmentierter als in anderen Märkten, zu sämtlichen auch freien Handelsakteuren suche Michelin aber enge Partnerschaften. Der Michelin-Blick in die neue Reifenwelt ist ein ganzheitlicher. (Kay Lehmkuhl)