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Reifenindustrie

Sailun: Fernziel Erstausrüstung

Die technischen Grundlagen der Reifentechnik hat Michael Eckert bei Michelin gelernt. Beim französischen Reifenhersteller konnte der Augsburger im Renndienst auch seine Leidenschaft für den Motorsport ausleben. Nach zehn Jahren wechselte er in die Dienste von Hankook, wo er unter anderem die Türen für das OE-Geschäft mit den deutschen Premium-Automobilherstellern öffnen sollte. Seine dritte Station heißt nun Sailun. Im Interview erläutert er uns seinen Aufgabenbereich und die ambitionierten Pläne der Marke im europäischen Markt.

Seit sechs Monaten stehen Sie nun in Diensten von Sailun. Es gibt durchaus einige chinesische Hersteller, denen man zukünftig eine größere Rolle auf dem deutschen Markt zutrauen darf. Was macht Sailun unter diesen besonders?

Michael Eckert: Es war für mich schlussendlich ausschlaggebend für Sailun zu arbeiten, dass der Konzern der dahinter steht, die Firma Mesnac, schon seit Jahrzehnten über weitreichende Technologien und Erfahrungen im Maschinenbau für die Reifenfertigung verfügt. Sailun profitiert also vom technischen Know-how, um hochwertige Reifen zu entwickeln und  bauen. Zu den Kunden von Mesnac zählen seit Jahren Akteure wie Continental, Michelin, Bridgestone, Pirelli oder Goodyear. Also wirklich renommierte Hersteller, die einzelne Maschinen oder komplette Anlagen bei Mesnac bestellen oder in Auftrag geben. Somit war mir schon bewusst, dass die Firma, obwohl sie erst seit zwölf Jahren unter dem Namen Sailun Reifen fertigt, trotzdem über eine Menge an Wissen und Erfahrung verfügt. Natürlich kann man immer noch etwas verbessern, beispielsweise im Bereich der Gummimischungen. Der Unterschied zu anderen chinesischen Hersteller ist meiner Meinung nach, dass Sailun über hochmoderne und ausgereifte Fertigungsanlagen verfügt.

Sie haben als OE-Experte lange Zeit für Hankook gewirkt. Ist Sailun das Erstausrüstungsgeschäft betreffend eine ähnliche Entwicklung zuzutrauen?

Michael Eckert: Es ist natürlich schwierig für einen noch nicht so bekannten chinesischen Hersteller in die europäische Erstausrüstung vorzudringen. Aber wir verfolgen die Idee. Man muss hier aber erstmal zwischen der Pkw- und der Lkw-Erstausrüstung differenzieren. Im Pkw-Bereich ist weitaus mehr Vorarbeit notwendig. Abgesehen vom Preisangebot muss der Reifen von der Spezifikation genau auf das Lastenheft des jeweiligen Herstellers zugeschnitten sein, um eine Freigabe zu bekommen. Da befinden wir uns natürlich in harter Konkurrenz zu den bekannten Herstellern und Platzhirschen. Meine Idee ist, dass wir zunächst in China lokal mit Automobilherstellern, aber auch mit in Kooperation zu europäischen Herstellern stehenden Joint-Venture-Unternehmen eine Zusammenarbeit initiieren. Wenn wir es in die chinesische und generell asiatische Erstausrüstung schaffen können, dann können wir dies auch auf Europa übertragen.

Auch aufwendig, aber dennoch ein wenig einfacher ist es im Bereich Lkw. Hier bahnen sich bereits erste Kontakte mit Auflieger- und Lkw-Herstellern an. Hier geht es natürlich auch um die Qualität der Produkte, der Testaufwand ist aber weitaus geringer und unsere Produkte in diesem Segment sind jetzt schon in der Lage die Anforderungen zu erfüllen.

Generell sehe ich uns aber in den nächsten vier, fünf Jahren nicht in der europäischen Erstausrüstung, speziell im Premium-Segment. Ich weiß durch meine vorherige Tätigkeit bei Hankook, wie lange solche Prozesse brauchen.

Welche Voraussetzungen sind notwendig, um den Einstieg zu schaffen – oder andersherum gefragt: was fehlt aktuell noch?

Michael Eckert: Eine Grundvoraussetzung ist natürlich, dass man mal Zugang zu den jeweiligen Lastenheften und Spezifikationen hat. Jeder Automobilhersteller hat unterschiedliche Vorstellungen, wie ein Reifen für ein bestimmtes Fahrzeug zu funktionieren hat. Neben den objektiven Werten wie Bremsen oder die Geräuschemission, die natürlich jederzeit auf dem Prüfgelände nachvollziehbar sind, sind natürlich die subjektiven Bewertungen ausschlaggebend. Da pflegt der eine Hersteller etwas mehr Konzentration auf den Fahrkomfort, der andere vielleicht auf Lenkansprache oder Kurvenfahren. Das ist ein weit gestreutes Feld. Bis wir das alles erfüllen können, müssen wir bei Sailun intern dafür sorgen, dass wir auf unserem eigenen Testgelände arbeiten und Reifen vorselektieren können. Ein solches Testgelände wird gerade geplant. Das Grundstück ist bereits gekauft und nun muss die Strecke neben unserem Werk und Entwicklungszentrum gebaut werden. Dort können wir dann zukünftig mit unserem eigenen Personal genormte Tests durchführen, was auch für den Ersatzmarkt in Europa von enormer Wichtigkeit sein wird.

Ebenso von großer Bedeutung wird sein, dass wir mit geeigneten Produkten auch in Magazintests vorkommen oder teilnehmen, um die Marke und unsere Produktqualität bekannter zu machen. Wenn wir uns bei solchen Tests über einen längeren Zeitraum mal im Mittelfeld etablieren können, wird auch das Standing der Marke in Europa steigen, was wiederum förderlich auch für eine potenzielle Erstausrüstung bei einem europäischen Hersteller sein wird.

Bis wann kann man mit der Fertigstellung des Testgeländes rechnen und wo testet Sailun aktuell?

Michael Eckert: Indoor-Testkapazitäten haben wir in unserem Labor und auf den Prüfständen. Aktuell testen wir draußen in China auf verschiedenen Strecken – auch für das Tyre-Labeling. Wir werden zukünftig verstärkt auch Reifen bei Organisationen wie dem TÜV prüfen lassen. Unser eigenes Testgelände wird voraussichtlich nicht vor 2016 fertig sein. Aktuell sind wir damit beschäftigt, das Layout des Streckenverlaufs zu definieren. Danach muss es dann gebaut werden. Wichtig wird in einem weiteren Schritt auch sein, geeignete Fahrer zu finden. Wir brauchen keine Rennfahrer, sondern Fahrer die reproduzierbar ihre Runden absolvieren und dabei kleinste Nuancen zwischen den Prototypreifen regelrecht erfahren. Also nicht über dem Limit, es muss vielmehr subjektiv ein klares Feedback über den jeweiligen Testreifen möglich sein. Die Piloten müssen also die Feinheiten der Unterschiede auch in Bezug auf die Performance spüren. Wenn man es beispielsweise auf der Strecke zu hart angeht, ist der Reifen überbeansprucht und dann sind die Nuancen zwischen den verschiedenen Spezifikationen nicht mehr rauszufiltern. Es ist eher eine Kunst, ein guter Test- und Entwicklungsfahrer zu sein, als ein Rennfahrer. (kle)

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