Ganzjahresreifen gewinnen auch hierzulande weiter an Bedeutung. Über den Anteil im Sell-Out gibt es unterschiedliche Angaben – Fakt ist: Das Segment wächst. Michelin hat mit dem CrossClimate + eines der fähigsten Produkte im Markt. Die Art der Vermarktung des französischen Reifenriesen allerdings ist bisweilen höchst irritierend. Nun argumentiert der Hersteller erneut mit einem "Kostenvorteil" und sucht die offene Konfrontation mit Handelsakteuren und Servicebetrieben.
Der Kostenvorteil beim Verzicht auf klassische Winterreifen sei offensichtlich: Der saisonale Reifenwechsel in einer Werkstatt oder beim Fachhändler sowie das ordnungsgemäße Einlagern verbunden mit dem Auswuchten der Reifen schlagen pro Jahr mit bis über 150 Euro zu Buche, heißt es. Verfügen die Reifen über eingebaute Reifendruckkontrollsysteme (RDKS), steige der Aufwand für den Reifenwechsel und es entstünden weitere Kosten. Hinzu komme der Zeitaufwand durch Terminvereinbarung, An- und Abfahrt. Wer den Wechsel von Sommer- und Winterreifen selbst durchführe, reduziere zwar den finanziellen Aufwand, müsse sich aber Gedanken um eine korrekte und materialschonende Lagerung machen sowie den notwendigen Platz in der Garage oder dem Keller finden.
Bei Reifenfachhändlern und Kfz-Servicebetrieben dürfte diese Argumentationskette kaum Begeisterung auslösen. Die fachmännische Beratung, Montage und Einlagerung sowie die Aussicht, weitere Services für das Fahrzeug zu offerieren, lassen den Handel am Geschäft im Premium-Segment partizipieren. Auskömmliche Margen sind im oberen Preissegment nämlich nur schwer zu erzielen. Auf Anfrage der Redaktion bemüht sich Agostino Mazzocchi, Direktor Sales B2C DACH, zu beschwichtigen: „Trotz aller Vorteile von Ganzjahresreifen empfehlen wir den Verbrauchern, ihre Reifen regelmäßig bei einem Reifenhändler überprüfen zu lassen, auch wenn sie einen Ganzjahresreifen fahren. Professioneller technischer Support für Reifen während des ganzen Jahres verlängert deren Lebensdauer. Darüber hinaus trägt eine regelmäßige Überprüfung auch zur Sicherheit bei, da die Fachleute vor Ort ein ungleichmäßiges Abfahrverhalten durch falschen Luftdruck oder Änderungen der Fahrwerksgeometrie rechtzeitig erkennen und richtig beraten können. Auch die Änderung des individuellen Fahrprofils kann in einem qualifizierten Gespräch beim Reifenhändler erkannt und die persönliche Beratung für den Reifenkauf so perfekt abgestimmt werden.“
Aus Handelssicht ist das Vorgehen des Reifenriesen aus Clermont-Ferrand aber fragwürdig. Es ist nicht das erste Mal, das Michelin dem Handel in aggressiver Form signalisiert, eine lästige Zwischeninstanz zu sein. Vor gut vier Jahren hatte die Michelin-Tochter Euromaster im Vorfeld der Winterumrüstsaison ein Prospekt veröffentlicht, dass für großen Unmut im Reifenfachhandel gesorgt hatte. Darin wurde der Michelin CrossClimate damit beworben, bei einem Kauf dieses Reifens in zwei Jahren Servicekosten von „bis zu 330,- €“ (inkl. Wuchten und Einlagerung) sparen zu können. Die aktuelle „Kostenvorteilsargumentation“ wird auch kaum dadurch gemildert, dass Michelin abschließend darauf verweist, dass Kunden, die in ländlichen Hochlagen oder bergigen Regionen wohnen, in der kalten Jahreszeit mit dem Wechsel von Sommer- auf Winterreifen weiterhin gut beraten sind.
(kle)